Leseprobe aus dem Buch: Frei von Zuckersucht von Ruth Alice Kosnick Silberschnurverlag. ISBN: 978-3-89845-327-1. VK: 16,90 €.

Inhaltsangabe siehe: Weitere Infos

Herzlichen Glückwunsch und willkommen im Club. Es ist ein wichtiger Schritt, nach einem Buch mit dem Titel - Frei von Zuckersucht - zu greifen, sich mutig mit diesem Titel an die Kasse zu stellen und sich dadurch schon unterschwellig zu outen. Es ist der erste Schritt weg von den jahrelangen Beschönigungen, Verschleierungen und dem Selbstbetrug, hin zu dem Bekenntnis, zuckersüchtig zu sein. Dadurch, dass dich dieser Titel angesprochen hat, kannst du dich schon zu denen zählen, die wissen, dass sie ihr Verhalten in Bezug auf Zucker nicht mehr unter Kontrolle haben, dass es nicht nur Naschlust oder Mangel an Willensstärke ist, sondern etwas ganz anderes: Dein Verhalten ist eine Sucht und damit eine Krankheit.

Ich betone das deshalb so ausführlich, weil ein enormer Verdrängungsprozess bei jedem Süchtigen vorliegt, egal, um welche Droge es sich handelt. Verdrängung und Selbstbetrug gehören zur Sucht. Der Suchtmechanismus besitzt viele laute innere Stimmen, die das Wissen darum, dass man von der Droge abhängig ist, übertönen. Diese Stimmen sagen zum Beispiel: Ich liebe das, Ich genieße den Konsum oder Ist mir egal, dass ich abhängig bin. (In der ersten Woche werden wir uns ausführlich mit diesen Stimmen beschäftigen.)

Ebenso wenig wie alle, die Alkohol trinken, Alkoholiker sind, sind alle Zuckeressenden zuckersüchtig. In Versuchen an Ratten wurde bewiesen, dass einige Ratten nach Zucker „süchtig wurden, andere nicht (wahrscheinlich vergleichbar mit dem bei allen Suchtkrankheiten zu vermutenden Suchtgedächtnis nach Prof. Dr. J. Böning).

Das Wesen jeder Sucht ist, dass mit Willenskraft überhaupt nichts auszurichten ist, eher im Gegenteil: Eine Zeit des Zuckerverzichts mit Willenskraft hat meist einen erhöhten Zuckerkonsum zur Folge (was ebenfalls in den Rattenversuchen bestätigt wurde). Je öfter der Versuch unternommen wird, süßen Verführungen mit Willenskraft zu widerstehen, desto tiefer verstrickt sich der Betroffene in den Kreislauf der Sucht. Das Wesen der Sucht ist ein wirkungsloser Wille. Du willst mit der Droge aufhören, aber dein Wille hat keine Kraft, um es in die Tat umzusetzen. Der Süchtige ist gefangen und wie von einem Dämon besetzt, der ihn zu Handlungen treibt, die er gar nicht will. Im Gehirn und in der Psyche laufen die gleichen Prozesse ab, wie bei allen Süchten.

 

Anzeichen für die Abhängigkeit von Zucker

Wenn du dich von dem Wort Zuckersucht angesprochen fühlst, dann mache dir klar, dass nur ein Betroffener nachvollziehen kann, welche erschreckenden Höhen und Tiefen sich hinter der Droge verbergen. Lass dich nicht davon einschüchtern, dass andere diese Sucht als nicht ernstzunehmend belächeln. Für viele Menschen ist Zucker keine Droge. Sie werden nicht süchtig, auch wenn sie oft naschen. Sie können nicht nachvollziehen, welches Leid Zucker erzeugt, wenn du süchtig danach bist. Doch für Zuckersüchtige ist Zucker eine ernstzunehmende Droge. An den folgenden Anzeichen kannst du erkennen, ob Zucker für dich zu einer Droge geworden ist:

- heimliches Naschen

- Süßigkeiten-Verstecke anlegen

- periodische Zucker-Fresstouren, unterbrochen von Phasen gesunder Ernährung, in denen du nur kurze Zeit auf Süßes verzichten kannst

- Selbstbetrug, indem du vorgibst, zuckerfrei zu sein und dann, als Ersatz, „gesundes Süßzeug aus dem Bioladen naschst

- nicht rationieren können, sondern alles aufessen müssen (statt einem Stückchen Schokolade die ganze Tafel)

- Kontrollverlust und die Unfähigkeit, längere Zeit auf Süßes zu verzichten

- wiederholte misslungene Versuche abzunehmen

- schon diverse Methoden zur Gewichtsreduktion ausprobiert haben

- Kleidergrößen im Schrank haben, die schon lange zu eng geworden sind, oder mehrere Kleidergrößennummern horten, weil das Gewicht extrem schwankt

- der tägliche Entschluss, dich ab morgen „gesund zu ernähren, der jedoch (fast) jeden Tag scheitert (die Abstände zwischen dem Entschluss und einem Rückfall werden immer kürzer)

- Verstimmungen und Selbstvorwürfe nach dem Konsum

- starke Stimmungsschwankungen

- nachts Schlafstörungen oder extreme Müdigkeitsattacken tagsüber

- immer genau wissen, wo und wie viel Naschzeug noch in unmittelbarer Nähe ist oder wo man nach Geschäftsschluss noch etwas besorgen kann (Tankstelle etc.)

- der „Bäckerei- und Eisdielen-Blick (jede Bäckerei und Eisdiele in der Nähe kennen)

- ein angeknackstes Selbstbewusstsein, viele Schamgefühle und verborgener Selbsthass

- Selbstbestrafungen nach dem Konsum, oft getarnt als positive Tat (mehr Sport, Fasten, nur Bio-Süßes und andere gute Vorsätze)

- Vorräte fürs Wochenende anlegen, weil sonntags die Geschäfte geschlossen haben

 

Aus Erfahrung weißt du, dass du deine Abhängigkeit mit der eines Alkoholikers oder eines Drogensüchtigen vergleichen kannst: Ebenso wie ein Alkoholiker nur ein bisschen Alkohol trinken kann, genauso wenig kannst du nur ein bisschen Zucker essen. Wenn du damit angefangen hast, kannst du nicht mehr aufhören. Die Droge kontrolliert dein Leben. Dein Denken und Handeln ist davon durchdrungen, wie eine Hintergrundmusik, die dauernd spielt. Dies ist der Unterschied zwischen Sucht und Nicht-Sucht: Der Süchtige ist ein Sklave der Droge. Dies ist weit entfernt von dem Gefühl „jetzt habe ich Lust auf etwas Süßes. Ein Süchtiger kann nicht geheilt werden, sondern muss lernen, ohne seine Droge zu leben. Und weil diese Worte in einem Teil deiner Persönlichkeit immense Panik auslösen, kannst du schon erahnen, dass der Konsum von Zucker eng verknüpft ist mit psychischen Inhalten. Wenn ein Arzt dir nahelegen würde, auf Milchprodukte zu verzichten, Südfrüchte zu meiden oder Weizen wegzulassen, würde das Unmut hervorrufen, aber du hättest keine Empfindungen, die an Panik erinnern. Ahnst du schon, worauf das hier hinaus läuft? Psychoarbeit!

 

Stufen der Sucht

Ich vermute, es gibt bei Zuckersüchtigen verschiedene Schweregrade, ähnlich wie bei Alkoholikern. Es gibt Menschen, die brauchen das Programm nicht, sondern können, wie manche Raucher auch, von einem Tag auf den anderen mit dem Drogenkonsum aufhören. Sie brauchen keine Übungen, keine Selbsttherapie und keine Psychoaufgaben. Sie erkennen ihre Süchtigkeit und steigen einfach aus. Vielleicht hat das mit dem Schweregrad der Sucht zu tun? Ich weiß es nicht. Meiner Erfahrung nach ist das Zuckersuchtprogramm absolut notwendig für stark Zuckersüchtige der 3. Stufe, der chronischen Phase.

In diese drei Stufen lassen sich die Schweregrade der Sucht unterteilen:

 

1. Stufe: Vorphase

In diesem Stadium wird Zucker zum Frustabbau, als Belohnung oder einfach als Stimmungsaufheller benutzt. Der Körper verlangt noch nicht danach, sondern es ist eher eine leichte psychische Abhängigkeit. Ein Unwohlsein und eine Verstimmung stellen sich ein, wenn bei bestimmten Anlässen nicht die gewohnte Süßigkeit verfügbar sind (zum Kaffee, beim Fernsehen, am Sonntagnachmittag …).

 

2. Stufe: Akute Phase

In der akuten Phase ist das Hauptthema Kontrollverlust. Typisch ist hier, dass die ganze Tafel Schokolade verputzt wird, statt nur ein Stückchen zu naschen (wie du eigentlich wolltest). Mit dem Kontrollverlust einher geht ein Versager- und Schamgefühl, das allerdings verdrängt und abgewehrt wird (meist wieder mit Zucker). Was du bewusst mitbekommst, ist deinen Ärger über dich selbst nach dem unkontrollierten Konsum und deinen Ärger am nächsten Morgen auf der Waage. Bei der Kontrollverlustsucht besteht bereits eine körperliche Abhängigkeit. Der Betroffene kann zwar lange auf Zucker verzichten (um wieder abzunehmen), verliert aber dann erneut die Kontrolle und nascht mehr, als er will. Dieser Jojo-Effekt ist bei denen, die von Zucker zunehmen, auch auf der Waage ablesbar.

 

3. Stufe: Chronische Phase

In diesem Stadium vergeht kein Tag, an dem du keinen Zucker konsumierst. Die Menge steigert sich von Jahr zu Jahr. Phasenweise wird das Suchtverhalten erkannt (heimliches Naschen, Süßigkeitenlager etc.), aber oft weiterhin als Genuss beschönigt. Der Zuckerpegel wird täglich aufgefüllt und geht mit Kontrollverlustessen einher. Keinen Zucker zu essen, zum Beispiel in Diätzeiten, fühlt sich wie ein erzwungener Verzicht an. Diese Zeiten sind sehr seltene Ausnahmen von dem täglichen Konsum, jedoch dadurch die einzigen Lichtblicke. Nach dem Verzicht werden noch größere Mengen Zucker konsumiert als zuvor (und die Zahlen auf der Waage steigen weiter an). Meist wird auch Übergewicht zum Problem, durch das das süchtige Verhalten nicht mehr geleugnet werden kann. Die Versager- und Schamgefühle steigern sich, da kein Verzicht mehr möglich ist und du die Gefangenschaft spürst. Du isst sogar Süßigkeiten, die dir eigentlich nicht schmecken. Der Frust, der durch Zuckeressen entsteht, wird mit Zucker betäubt. So entsteht ein Teufelskreis.

Innerhalb der chronischen Phase gibt es wiederum verschiedene Schweregrade, die sich in den täglich konsumierten Zuckermengen ausdrücken. Außerdem gibt es noch eine weitere Steigerung, die ich „extreme Abhängigkeit nenne. Innerhalb der chronischen Phase unterscheide ich daher zwischen einer „schweren und einer „extremen Abhängigkeit. Extreme Abhängigkeit ist selten. Ich selbst habe jahrelang unter einer schweren Abhängigkeit mit erheblichen täglichen Zuckermengen gelitten. Weiter unten, im Kapitel „Entzugserscheinungen werden die Symptome einer Frau beschrieben, die unter extremer Zuckerabhängigkeit leidet.

Je stärker deine Zuckerabhängigkeit ist, desto intensiver musst du mit dem Programm arbeiten. Das Zuckersuchtprogramm kann dich selbst aus jahrzehntelanger chronischer Abhängigkeit (3. Stufe) in ein ganz anderes Leben führen. Wenn du chronisch zuckersüchtig bist, hast du einen großen Vorteil: Du hast unendlich viel Leid erfahren durch deine jahrelangen, unkontrollierbaren Fressorgien und Kontrollverluste. Du kennst dein süchtiges Verhalten genau und gaukelst dir nicht mehr vor, dass Süßes Genuss ist, weil es für dich schon lange kein wirklicher Genuss mehr ist. Und dieses Leid wiegt so schwer, dass du bereit sein wirst, die Arbeit auf dich zu nehmen, die das Programm von dir fordert.

Die Ursachen deiner Sucht liegen nur zu einem kleinen Teil in einer körperlichen Abhängigkeit (diese ist zum Glück nach einigen Tagen ausgestanden), sondern mehr in einer psychisch-seelischen Abhängigkeit. Und genau diesen Ursachen geht das Zuckersuchtprogramm auf den Grund. Dicksein ist ein Symptom dieser Krankheit. Allerdings ist es auch möglich, zwanghaft Süßigkeiten oder süße Getränke zu konsumieren und nicht dick zu sein. Du magst nur zehn Pfund Übergewicht haben oder gar keins, und dennoch weißt du, wenn du ehrlich zu dir bist, dass du deinen Zuckerkonsum nicht kontrollieren kannst. Im Allgemeinen jedoch haben Zuckersüchtige mehr als nur zehn Pfund zu viel auf den Hüften.

Da bei den meisten Zuckersüchtigen Übergewicht ein Problem geworden ist, wurden viele Stellen im Zuckersuchtprogramm so formuliert, dass sie Übergewichtige betreffen. Falls das bei dir nicht der Fall sein sollte, lies diese Passagen dennoch aufmerksam durch. Sobald du bemerkst, dass dich ein Themenbereich trifft, betrifft er dich auch.

Bitte öffne dich für folgende Gedanken, um aus dem Selbstverurteilungs-Mechanismus herauszukommen: Dein jetziger Suchtzustand und dein derzeitiges Gewicht sind richtig! Du hältst dich mit deinem Verhalten und deinen Essgewohnheiten in einem seelischen Gleichgewicht. Dein Suchtverhalten ist zurzeit noch notwendig, weil es für dich ein Rettungsring ist. Dein Körper hat einen Ausweg gesucht und gefunden. Er irrt sich nicht, auch wenn dein Kopf die Kilos auf der Waage nicht mag. Du brauchst diese Kilos zurzeit noch. Dein Rettungsring um die Hüfte aus zusätzlichen Pfunden ist tatsächlich auch ein psychisch-seelischer Rettungsring.

Durch die Arbeit mit dem Zuckersuchtprogramm wird sich diese Gewichtung ändern. Das Programm wird zu deinem neuen Rettungsring werden. (Ich nenne es lieber Rettungsanker, weil du mit einem Rettungsring immer noch im tosenden Meer schwimmst. Doch mit dem Programm wirst du am Grund der Lebenssee verankert.)

Du wirst herausfinden, welche Fallen du dir selbst stellst und welchen Lebensbereichen du bisher zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet hast. Du wirst lernen, den wahren Hunger hinter deiner Sucht zu erkennen und ihn zu stillen. Schritt für Schritt lernst du, zu einer inneren Fülle zu finden, so dass die Fülle nicht mehr im Außen in Erscheinung treten muss. Durch das Zuckersuchtprogramm wirst du mit vielen alten, verdrängten Themen konfrontiert werden. Wahrscheinlich wird ein enormer Prozess einsetzen, der in deinem Leben einiges verändern wird. Die Schritte im Programm betreffen alle Lebensbereiche. Sei dir bewusst, dass dieses Programm sehr tief greift und kein Thema ausgelassen wird. Es zwingt dich zu einer enormen Ehrlichkeit dir selbst gegenüber. Nur durch die Konfrontation mit deiner Schattenseite und deinem Mut, dich den unangenehmen Seiten zu stellen, kannst du den psychisch-seelischen Anteil der Abhängigkeit überwinden.

Dieses Buch behandelt nur die Abhängigkeit von Zucker. Es kann dir aber auch helfen, dich von anderen Süchten zu befreien, indem du das Wort „Zucker durch das Wort deiner Sucht ersetzt. Allerdings liegt jeder Sucht eine spezielle psychische Disposition zugrunde. Es hat einen ganz persönlichen Grund, warum jemand zu einer bestimmten Droge greift. Ein Zuckersüchtiger sucht das verlorene Paradies und möchte sich die Welt versüßen, ein Nikotinsüchtiger möchte eine Nebelwand zwischen sich und der Welt aufbauen und in seiner Scheinwelt bleiben, ein Alkoholiker betäubt seine Gedanken und sucht das schmerzfreie Vergessen. Welches deine Dispositionen sind, musst du, je nach Droge, selbst herausfinden. Hierbei können dir die Bücher von Rüdiger Dahlke oder Louise Hay helfen, in denen jedes körperliche Symptom und auch die Art jeder Sucht auf einer psychischen Ebene gedeutet werden.

Wenn du unter extremem Übergewicht leidest, liegt häufig eine zusätzliche Essstörung vor. Du solltest dann den Einstieg in dieses Programm von deinem Hausarzt, einer Ernährungsberaterin oder von einem Psychotherapeuten begleiten lassen. Es kann auch sein, dass die Arbeit im Programm dich mit Themen konfrontiert, bei denen du spürst, dass du sie schlecht alleine bewältigen kannst. Es ist wichtig, dir schon vor dem Einstieg in das Programm klar darüber zu sein, dass du eventuell weitere Hilfe benötigen wirst, und dir im Vorfeld zu überlegen, wen du ansprechen könntest.

Viele Passagen des Zuckersuchtprogramms richten sich an Frauen, weil ich vorwiegend Frauen mit diesem Problem erlebe. Falls du als Mann in das Zuckersuchtprogramm einsteigen möchtest, dann ersetze bitte die Passagen, die sich an Frauen richten, durch deine eigenen, männlichen Themen.

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